WERKGRUPPE
GRAZ
|
WEGHAFTES. ARCHITEKTUR
UND LITERATUR
HOME |
back / Eugen Gross: Werk Gruppe Graz - Wege, Räume, Gedanken/
3.2.2 /
Studentisches Selbstbewusstsein /
Politische Umbrüche wie der Ungarnaufstand
1956 stellten für die Studentenschaft eine unvermittelt hereinbrechende
Herausforderung dar: genügte es, in "Freiheit und Einsamkeit"
(Alexander von Humboldt`s Bildungsideal) zu studieren, oder rissen
die sich den alles niederwälzenden Panzern entgegenstehenden
Studenten nicht eine andere moralische Dimension auf, die wie ein
Blitz in die hermetisch abgeschlossene Universität einschlug
? Als Stoßtrupps mit humanitärer Verpflichtung überschritten
zahlreiche Freunde die Grenze, um den Kollegen aus dem benachbarten
bedrohten Land entgegenzueilen. Eine Flutwelle der Solidarität
brauste auf und durchschlug die Tore der Universität, die nicht
mehr allein sich selbst genügen konnte. Ein gesellschaftlich-
politischer Auftrag wurde erkannt, neben Brot auch Raum zu geben,
der Menschen aufrechter Gesinnung zusammenführt. Die Studenten
begannen sich als Stand zu begreifen, der sich gegenüber der
offiziellen Politik artikulieren muss und programmatische Forderungen
stellt. Aus dem intensiven Gespräch mit Gesinnungsfreunden
verschiedener Sparten entstanden institutionelle Ansätze einer
Studentenvertretung, (Österreichische Hochschülerschaft,
Studentenförderungsstiftung u.a.), innerhalb der die soziale
Rolle des Studentendaseins neu interpretiert wurde. Studentenzentren
und Studentenheime sollten dem dringenden Bedarf "gemeinschaftlichen
Wohnens und Arbeitens" abhelfen, Projektideen und initiative
Entwürfe kamen auf den Tisch (1). Es war nicht die Zeit, auf
einen Auftrag zu warten, er mußte als "innerer Auftrag"
aufgefasst werden. Ein Ziel, nach Absolvierung des Studiums mit
einem Bauauftrag betraut zu werden, öffnete sich als Weg dorthin.
Aus kurzen Schritten wurden längere, bewusstere, wagemutigere.
Exponenten eines kulturellen Aufbruches wollten mit uns reden, wurden
unsere Partner. Am Horizont leuchtete der Ausspruch des amerikanischen
Physikers und Philosophen A.S. Eddingten auf, der sagte: "
Die Ereignisse kommen nicht; sie sind da, und wir begegnen ihnen
auf unserem Wege." Ein schlichter Satz, aber voller Sprengkraft,
wenn wir ihn als unabdingbare Forderung an uns selbst verstehen,
selbst den ersten Schritt zu setzen. Architekt zu sein - eine Vision,
ein Urbild zu verwirklichen - trat vom Traum in die Wirklichkeit.
Dennoch, was macht ein architektonisches Werk aus ? Noch erinnere
ich mich daran, dass wir einer klärenden Instanz uns anvertrauten,
als wir in Stunden nächtlicher Unsicherheit beim Zeichnen von
Wettbewerbsprojekten (mit Raimund Abraham und Friedrich St. Florian)
einen "Geist" befragten, ein im Aktzeichenkabinett anwesendes
menschliches Skelett, das uns permanent beobachtete. Ihm entging
nichts. Es verfolgte alle Strichskizzen an der Tafel und auf dem
Papier und äußerte sich mit leisem Klappern beim sanftesten
Windhauch, der durch eine Türe oder ein Fenster eintrat. Wir
hatten einen Gesprächspartner.
|
|
|
|