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3.2.9 /
Hubert Hoffmann /
Im März 1963 gaben die Architekten
im Forum Stadtpark ein kräftiges Lebenszeichen von sich. Prof.
Hubert Hoffmann organisierte eine bemerkenswerte Ausstellung zu
Fragen der städtebaulichen Gestaltung der Landeshauptstadt
"Graz und seine künftige Gestalt - städtebauliche
Skizzen, Entwürfe und Bauten". Vorgestellt wurden Arbeiten
des Instituts für Städtebau und Landesplanung der TH Graz,
des Instituts für Verkehrswesen der TH Graz und von 15 Architekturbüros,
darunter auch der Werkgruppe Graz (Bäderforschung Graz u.a.).
Dem Katalog der Ausstellung (10) stellte Hubert Hoffmann ein Vorwort
mit programmatischem Charakter voraus:
" Als eines der seltsamsten Phänomene unserer Zeit erscheint
es, dass wir kaum noch in der Lage sind, unsere Umwelt zu gestalten.
Viele unserer Mitmenschen bemerken gar nicht mehr, dass ihre Umwelt
immer gestaltloser wird. Sie sind bereits "raumtaub" geworden.
Ein einfacher Bauer vor etwa 500 Jahren hatte weit besser ausgebildete
Fähigkeiten seinen Lebensraum in der richtigen Weise zu ordnen
und zu gestalten.
Diese Unfähigkeit unserer Tage steht in einem bemerkenswerten
Gegensatz zu den Leistungen auf dem Gebiet der Technik. Wir fliegen
mit Geschwindigkeiten, die den Schall um das mehrfache übertreffen
und beginnen uns in der Stratosphäre einzurichten. Wir kennen
die geheimen Gesetze der Stoffe und vermögen einen Wassertropfen
auf das Millionenfache zu vergrößern. Wir schaffen uns
auf allen Gebieten Prothesen, um die Kräfte der Natur zu beherrschen
und um unsere körperliche und geistige Arbeit zu erleichtern:
Nur unsere Umwelt verstehen wir nicht mehr zu ordnen und zu formen.
Angefangen vom einfachen Gerät über Möbel und Haus,
Wohngruppe und Platz, Dorf und Stadt bis zur Landschaft als Zusammenfassung
von Gebautem und Gewachsenem. Was ist der Grund dieses heutigen
Unvermögens?
Zweifellos wird die technische Zivilisation überbewertet und
ganz sicher hat jene einseitige Ausbildung der Ratio eine Verkümmerung
der seelischen Kräfte im Menschen, der Empfindungen, zur Folge.
Die Gleichgewichtsstörung im seelischen Bereich muß jene
Disharmonien unserer Umwelt hervorrufen, die uns etwa im Chaos der
Städte heute entgegentreten. Umgekehrt zerstören ungestaltete
Räume nicht nur die menschliche Psyche, sondern auch das Gefühl
des gesellschaftlichen Zusammenlebens und -wirkens.*.......Diese
oder andere Planungsideen haben nur dann Aussicht auf eine gewisse
Verwirklichung, wenn jeder Bürger das Schicksal der Stadt als
s e i n Schicksal, als das seiner Kinder und Enkel begreift, und
wenn jene rationale Selbstsucht, die sich in materiellen Zielen
erschöpft, abgelöst wird, abgelöst wird von einem
Glauben an den Auftrag des Menschen.
Wesentliche Absicht der Gespräche und der Ausstellung ist es,
an Stelle der Lethargie und Gleichgültigkeit in Fragen von
solch schicksalhafter Bedeutung wie die Stadtplanung, die Teilnahme,
das Interesse, die Aktivität des Bürgers wachzurufen."
Der Ausstellung ist im Jahre 1962 bereits eine Vortragsreihe vorausgegangen,
die sich theoretisch mit der Planung der Stadt Graz befasste und
auszugsweise in den Katalog aufgenommen wurde. Prof. Viktor Winkler,
der Anthroposoph, suchte in seinem Beitrag "Das Graz der Vergangenheit
im Graz der Zukunft" den Stadtkörper ganz im Geiste der
Ideen eines Rudolf Steiner als organisches Gebilde zu interpretieren
und erkannte als Entwicklungslinien neben der durch die Mur bestimmten
Axialität - das Statische - einen "inneren" und "äußeren
Strahlungspunkt", die als dynamische Elemente die Stadtentwicklung
bestimmen. In dem die Altstadt umschließenden Stadtpark samt
Schlossberg glaubte er eine embryonale Form zu erkennen, aus der
eine Erneuerung entspringt (das Forum Stadtpark liegt in diesem
Bereich). Bemerkenswert ist, dass der von Winkler ausgesprochene
organische Ansatz für die Konzeptionen der Grazer Architekten
später besondere Bedeutung erlangen sollte. Im Aufsatz "Aktuelle
Grazer Stadtbau-Probleme umriss Prof. Dr. Ignaz Gallowitsch pragmatisch
Ziele der Stadtplanung. Prof. Hubert Hoffmann dagegen geißelte
in einem abschließenden Vortrag die Unkultur des gängigen
Baugeschehens der Nachkriegszeit und rief als Zeugen gegen die vorherrschende
materialistische Grundhaltung bar jedes Gemeinschaftsbewusstseins
Thomas von Aquin an: "Alle falschen Klugheiten und Überklugheiten
sind dem Geiz entsprossen und wesensverwandt - Geiz bedeutet die
ängstliche Greisenhaftigkeit krampfhafter, einzig auf Bestätigung
und Sicherheit bedachter Selbstbewahrung". Die moralische Grundhaltung,
die diesen für die Grazer Architekturszene wichtigen Exponenten
auszeichnete, hinterließ trotz zahlreicher Rückschläge
eine tiefe Spur im Planungsgeschehnen der folgenden Jahre in der
Steiermark.
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Hubert Hoffmann mit
Walter Gropius und
Friedrich Gross-Rannsbach
Rom um 1960
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LINK
/ Alte Ansichten / Graz und seine künftige Gestalt /
(1) Katalog und Ausstellung "Graz und seine künftige
Gestalt", Städtebauliche Skizzen, Entwürfe und
Bauten, Leitg. Hubert Hoffmann, Forum Stadtpark Graz, 1963 |
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