WERKGRUPPE GRAZ
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WEGHAFTES. ARCHITEKTUR
UND LITERATUR
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4.0.
/ ARCHITEKTUR UND LITERATUR -
eine morphologische Annäherung /
4.0.2
/Friedrich Achleitner - Architektur und Dichtung
/ 
Der Titel ist absichtlich Architektur und Dichtung
und nicht Architektur und Sprache. Ich habe mich immer gewehrt, Architektur
und Dichtung in Beziehung zu bringen. Eine Art Notwehr. Zwischen Architektur
und Sprache gibt es sicher Analogien, eher in der Rezeption als in der
Konzeption. Architektur kann mit genügender kultureller (formaler,
ornamentaler) Anreicherung narrativ sein, ein Gedicht kann als Konstellation
von Wörtern, wie die Architektur auf sich selbst verweisen. Wir behaupten,
dass ein Gedicht gut gebaut ist und der Begriff Satzbau ist geläufig.
Architekturen und Sprachen haben Regeln, Grammatiken, Vokabeln, die nur
in ganz bestimmten Verhältnissen zueinander etwas bedeuten. Trotzdem:
Architektur ist nicht Sprache und Sprache ist nicht Architektur. Man kann
bei den Sprachen die Kommunikation und bei den Architekturen ihre praktische
Leistung überbewerten. Sprechen und Bauen. Und man kann die Dichtung
als den artifiziellen Umgang mit der Sprache bezeichnen (Wahrnehmung als
Genuss, als Droge) oder die Architektur als kulturelle Mitteilung.
Natürlich kann man alles mit allem vergleichen und da Dichtung und
Architektur Hervorbringungen des Menschen sind, dies ums leichter. Und
da sie in der höchsten Form künstlerische Hervorbringungen sind,
provoziert das sozusagen den Vergleich. Der größte Unterschied
besteht wohl darin, dass Architektur nicht primär wahrgenommen, sondern
gebraucht wird. Erst die kulturelle Erfahrung, die distanzierte Betrachtung,
der ästhetische Konsum machen aus der Architektur eine Kunst. Konzeption
und Rezeption befinden sich in einem spiralförmigen Prozess. Wahrscheinlich
war die Konzeption (das Bauen) zuerst da und die Rezeption betraf Gebautes
und dann drehte sich die Spirale weiter. Das könnte man auch von
der Sprache behaupten: Zuerst war das Sprechen, daraus entwickelten sich
die Konstruktionen der Sprachen. Stimmt, nur kann die Sprache Architektur
beschreiben (die Kenntnis von Bauen vorausgesetzt), aber die Architektur
als räumliches Medium hat diese Eigenschaften nicht. Sie wird erst
"lesbar" über die Produktion von Elementen mit zeichenhaftem
Charakter, da diese Eigenschaften erst kulturell erworben werden müssen.
Architektur ist eine Welt, Sprache ist eine Funktion in der Welt. Dichtung
ist eine andere. Dichtung kann oder muss sich auf das kollektive Gedächtnis
einlassen, bleibt aber die Leistung eines/einer Einzelnen. Architektur
kann konzeptionell die Leistung eines Einzelnen sein, ihre Verwirklichung
ist aber ein kollektives Unternehmen. Insofern stehen Architektur und
Dichtung polar gegenüber. Die Überschneidungen, die Übergänge
kann man ausfindig machen, aber was bringt`s?
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Zu Friedrich Achleitner, der uns durch viele Jahre verbundene Architekturtheoretiker,
- kritiker und vor allem Chronist der österreichischen Architektur,
verbindet wie kein Zweiter die Rollen des Literaten und Architekten.
Widmete er sich anfangs der konkreten Poesie, so ist sein elementares
Hauptwerk der Konkretheit des in Österreich im 20.Jahrhundert Gebauten
gewidmet, das er in sorgfältiger Recherche-Arbeit zur Sprache brachte.
Eine Sprache, in der er sich zurücknahm gegenüber der authentischen
Interpretation des Werkes, das im Vordergrund steht. Dennoch, der
Literat ist in seinen grundlegenden Essays immer wieder hervorgebrochen
und scheint es heute wieder mehr denn je zu tun.
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