WERKGRUPPE
GRAZ
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WEGHAFTES. ARCHITEKTUR UND
LITERATUR
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3.3
Die Wegphasen als Raum- und Grenzerlebnis
/ Wegphase 4 /
/DER STRECKENHINWEG - Auf halbem Weg - .....................
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Die Ambivalenz in der Einschätzung der Entfernung
vom Heim und Annäherung an den angestrebten Ort beherrscht den Streckenhinweg.
Das Befinden auf halbem Weg pendelt zwischen dem Pessimismus hinsichtlich
des weiteren Wegverlaufes und dem Optimismus bezüglich der Richtigkeit
des eingeschlagenen Weges auf ein Ziel hin. Unsicherheit breitet sich
aus angesichts des bevorstehenden `points of no return`. Die latente Neigung
zur vorzeitigen Rückkehr muss durch eine klare Entscheidung für
den Fortgang des Weges überwunden werden. Im Entwurfsprozess ist
die Entscheidung zwischen Alternativen erforderlich, die in ihrer Wirksamkeit
abzuschätzen sind. Der Entwurf bedarf einer kritischen Analyse, wobei
städtebauliche, architektonische, konstruktive und wirtschaftliche
Aspekte zu berücksichtigen sind. Das Modell des Architektenwettbewerbes
mit neutraler Beurteilung fällt in diese Wegphase.
3.3.4
Auf halbem Weg wird die Ambivalenz von Heim- und Zielorientierung der
rationalen Überprüfung unterworfen, ob der eingeschlagene Weg
richtig ist. Das auf Sicherheit ausgerichtete Heimgefälle konkurriert
mit dem auf Erlebnisreichtum angelegten Zielgefälle. Der bisher geleistete
Einsatz wird mit dem zukünftig erhofften Gewinn in Beziehung gebracht.
Vor dem noch möglichen Punkt der Rückkehr wird eine Selbstbefragung
notwendig. Sie fordert eine Entscheidung.
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/ 3.3.4 / Wegphase 4/ Projekte und Realierungen
/ Heim für Studentenehepaare, Graz (1966)/
..........
Heim für Studentenehepaare Graz
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/Heim für Studentenehepaare, Graz
[19??]/
Die Einladung zu einem beschränkt ausgeschriebenem
Wettbewerb zur Errichtung eines Heimes für Studentenehepaare
führte uns an die Grenze, die Beschränkung auf
das Mögliche verlangte. Die Auseinandersetzung der
Jury mit alternativen Konzepten musste vorweggenommen werden.
Ein Heim für Studentenehepaare stellt an den Wohn -
und Arbeitsbereich höhere Ansprüche als ein Studentenheim,
andererseits kann es keinem Wohnhaus für dauernden
Aufenthalt gleichkommen. Die Wohneinheiten sind für
2 Erwachsene und 1-2 Kinder zu planen, zugleich muss ein
beruhigter Arbeitsplatz gegeben sein. Der ausgearbeitete
Entwurf enthält 32 Wohneinheiten von 30 - 60 m2, die
durch Schiebewände den differenzierten Anforderungen
entsprechen.
Die Auseinandersetzung mit der städtebaulichen Situation
eines nahezu quadratischen Grundstückes mit Bezug auf
einen kleinen Platz unmittelbar neben dem Naherholungsgebiet
des Hilmteiches führte zu einer diagonalen Ausrichtung
des 3 - geschossigen Baukörpers zum öffentlichen
Raum. In gegenüberliegender Richtung folgt das Haus
dem fallenden Gelände zu einem Bach und nimmt die Geschossversetzung
als Weglinie in das Bauwerk hinein.
Zur selben Zeit arbeitete unser Freund, der Bildhauer Fritz
Hartlauer, an seiner "Urzelle". Aus der Physiognomie
des Kopfes als Schritte der Abstraktion entwickelt, schuf
er flächenhafte wie plastische Gebilde, die einer Überlagerung
eines orthogonalen und diagonalen Systems entspringen. Die
biologische Analogie zur Zelle versuchte er als Wachstumsperioden
entlang den Achsen eines Kreuzes zu veranschaulichen, das
er mit kosmischer Symbolik verband. Mit seiner Großplastik
bei der Weltausstellung 1967 in Montreal hat er dem konzeptiven
Gedanken monumentale Ausstrahlung verliehen.
Die architektonische Ausformung des Studenten-Ehepaareheimes
will keine Kopie der Urzellen - Plastik sein. Das Haus entwickelt
seine Struktur von innen nach außen, dennoch verbindet
beide das fraktale Prinzip der "Selbstähnlichkeit",
auf die Peter Weibel bei Hartlauer hingewiesen hat (32)
. Die reizvolle Umgebungssituation legte nahe, den Bewohnern
diese durch eine plastische Differenzierung des "Wohnberges"
durch Abstaffelung und vorgelagerte Terrassen zugänglich
zu machen.
Die Hindernisse der 4. Wegphase, die sowohl dem Raum als
auch der Zeit entspringen, ließen das Projekt auf
halbem Weg einfrieren. Das eingereichte Konzept überzeugte
die Jury durch Zuerkennung eines 1. Preises, jedoch der
beabsichtigte Träger des Projektes zog sich zurück
und realisierte es nicht.
Damit wird eine allgemeine Problematik des Architektenwettbewerbes
angesprochen. Fordern baukünstlerische Wettbewerbe
vom Architekten viel Einsatz in mentaler, physischer und
wirtschaftlicher Hinsicht, so sind sie als Mittel der Auftragsbeschaffung
und als Überlebensstrategie fragwürdig. Allein
in der idealistischen Umkehr des Leistungsprinzips der modernen
liberalen Gesellschaft erhalten sie ihre Bedeutung, für
den Architekten und die Gesellschaft. Insoferne sind sie
künstlerische Installationen ersten Ranges, die dazu
auffordern, die reale Welt zu hinterfragen. Der Gegenraum,
die "echte Welt", gründet in der Negation
des Raumes, eben in der Poesie.
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