WERKGRUPPE
GRAZ
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WEGHAFTES. ARCHITEKTUR UND
LITERATUR
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3.3
Die Wegphasen als Raum- und Grenzerlebnis
/ Wegphase 5 /
/DER ZIELBANN - die Annäherung an das Ziel - ....................
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Das Ziel wirft seinen Schatten voraus, es zieht an. Alle
sensorischen Aktivitäten müssen angesprochen werden, um ans
Ziel zu gelangen. Der Antrieb kann sowohl im beschleunigten Schrittverhalten
- im Zweifel in der Verzögerung - oder im aktiven Greifverhalten
liegen, das visuell, akustisch, olfaktorisch oder visionär das Ziel
erreicht. Die Hoffnung begleitet die Annäherung an das Ziel, indem
die Distanz durch das Entgegenkommen von Signalen überbrückt
wird. Der Teil steht für das Ganze, das die Erfüllung der Wünsche
verspricht. Allein auftretende Unsicherheit kann das Ziel strecken oder
aus den Augen verlieren lassen, womit der Rückweg vorzeitig angetreten
wird. Der Mut zur Erreichung eines Zieles im Entwurfsprozess bestimmt
die Verfolgung des Entwurfsgedankens, der sich durchsetzen will. Nietzsche:
"Wer aber seinem Ziele nahe kommt, der tanzt". Der Wegprozess
dieser Phase stimuliert die höchste Spannung. Der emotionale Gewinn
vermag die reale Zielerreichung zurücktreten lassen.
3.3.5
Dem Ziel fliegt man entgegen. Die Füße werden leicht, die Gedanken
kühn. Den Entwurfsprozess beflügelt der Gedanke, ein Stück
"Welt" realisieren zu können, das es auf der Landkarte
der menschlichen Raumeroberung noch nicht gegeben hat. Wie ein Kind im
Moment der Geburt aus dem Mutterleib hervortritt und mit einem Schrei
die Welt erobert.
In der Wegphase der Annäherung an das Ziel kann das Wegphänomen
als Ganzes in verdichteter Form wahrgenommen werden. In einem Umspringbild,
aus einem Schema Fischers in Analogie zum Netz der Kreuzspinne abgeleitet,
reflektiert jeder Kreuzungspunkt des Zielbann-Netzes die Janusköpfigkeit
der Wegerfahrung. `Am Ort` und `am Weg` zu sein tauschen sich spontan
aus, bringen Überraschung. Ist die externe Annäherung an den
Zielbannkreis als Bewältigung der Umwelt gelungen, nimmt die Komplexität
der Raum-Zeit-Erfahrung mit jedem noch so kleinsten Schritt zu, da "der
eigene Körper zum Heim der Seele wird". Die Annäherung
an das Ziel erweist sich als die Annäherung an unseren Körper.
Mit allen seinen Sinnen, dem Auf und ab der Gefühle, der geheimnisvollen
Spur unserer Genen.
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/ 3.3.5 / Wegphase 5/ Projekte und Realierungen
/ Wohnanlage Innsbruck - Völs (1962)/
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Wohnanlage Innsbruck-Völs
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Wettbewerbsmodell
(vom Auslober erstellt)
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/Wohnanlage Innsbruck - Völs [1962]/
Dem Erläuterungsbericht des Wettbewerbsprojektes Innsbruck
- Völs ist zu entnehmen:
Aufgabe
Ein Grundstück von 40 ha zu Füßen des Berges,
der Wind weht von West nach Ost, Land und Wasser sind zu
scheiden - "Urtat" - ein künstlicher See
von 15 ha Fläche soll entstehen. 800 Wohnungen unterschiedlicher
Größe beanspruchen den Raum, dazu die Zusatzeinrichtungen
des Einkaufszentrums, der Kirche, der Schulen, des Kindergartens,
des Fernheizwerkes. Der Strand, die Badeanstalt und ein
Restaurant werden Besucher aus dem nahegelegenen Innsbruck
bevölkern, (sonnen)hungrige Städter.
Entwurf
Wo Menschenhand an die Natur greift, prägt sie ihren
Willen allem "Umher" ein. Nicht allein zu bauen
ist der Auftrag, auf einer trostlosen Planie! Die Fundamente
haben zu Hügeln zu werden, die Wasser zu Rinnsalen,
die Behausungen zu Schutzwällen, die Strassen zu den
Gängen eines Ameisenbaues, die Sterne zu Sternzeichen.
Den Schwerpunkt der Anlage bildet ein breit ausladender
Hügel, in dessen Höhlung sich Garagen aller Bewohner
in 2 Geschossen befinden. Diese Großgarage lagert
auf gewachsenem Boden, das Umland wird bis zu 1,5 m hoch
angeschüttet mit dem Aushub des Seebeckens. Der motorisierte
Verkehr stößt von der Tangente her direkt auf
den Garagenbau zu und wird von diesem aufgesogen. Aus der
Höhlung erfolgt die Versorgung des Zentrums. Über
Treppen und Rampen verlässt der Fußgeher den
Bau und bewegt sich teils unter freiem Himmel, teils geschützt
vor Wetter unter den Geschossbauten im freien Parkgelände.
Atriumhäuser auf den Fundamenten des Garagenhügels,
über den Bodennebel herausgehoben, und Geschossbauten
in großen Bögen, Gewässer überbrückend,
als ein über Fixpunkten entwickeltes variables System
von Wohntypen auf verschiedenen Niveaus.
Daten
Gesamtfläche 40 ha, Widmungsgebiet 25 ha,
Bruttogeschossfläche Wohnungen 9,5 ha, 8 Wohntypen
von 43,5 - 144 m2
Mit dem Entwurf der Wohnanlage Innsbruck - Völs 1962/63
haben wir erstmals eine städtebauliche Dimension erfasst.
Die Zielvorstellungen einer humanen Wohnsituation konnten
auf dem jungfräulichen Gelände exemplarisch verwirklicht
werden. Die landschaftliche Umgestaltung mit der Führung
künstlich angelegter Wasserflächen erwies sich
als jenes Hindernis, das die Ausformung des ganzen Entwurfes
bestimmte - am Land wurzelten die Bauten in der Erde, über
dem Wasser erhoben sie ihre Kronen in den Himmel.
Im Wegverlauf des Projektes Völs sollten alle Sinne
angesprochen werden, Tiefe und Höhe, Weite und Enge,
Lagern und Schweben durchdringen die Raumerfahrung. Den
Bewohnern sollte die Möglichkeit geboten werden, innerhalb
eines flexiblen, als strukturalistisch aufgefassten Systems
diese Körpererfahrungen bei der Gestaltung ihrer Wohnungen
fortzuführen. Die Vision war geboren. Die Nichterfüllung
des erhofften Wettbewerbserfolges trat gegenüber dem
Gewinn eines ideellen urbanes Raumes, den wir anstrebten,
zurück. Wir fühlten uns nicht "heimatlos".
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