WERKGRUPPE
GRAZ
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WEGHAFTES. ARCHITEKTUR UND
LITERATUR
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3.3
Die Wegphasen als Raum- und Grenzerlebnis
/ Wegphase 9 /
/DIE ANNÄHERUNG AN DAS HEIM - .......................................
/

Im Unterschied zur Annäherung an das Ziel zieht nicht
dieses an, sondern das Heim als Rückkehr zum Ausgangsort wird angezogen.
Wir sehnen uns nach dem Heimkommen. Das Heim ist bekannt, aber durch den
zurückgelegten Weg entfremdet. In der Annäherung an dieses man
der Konfrontation gewärtig sein. Noch kann eine Grenze, die Abstoßung
birgt, zur Abkehr und zum Suchen eines Ersatzheimes veranlassen. Die Annäherung
an das Heim enthält ein Aggressionspotential, das die Eroberung des
Heimes der Konfliktlösung vorzieht. Nicht Glückserwartung, sondern
kritische Distanz zum Heim ist die Voraussetzung einer neuen Beheimatung.
Für den Entwurfsprozess wird die Auseinandersetzung mit dem Umraum
und der städtebaulichen Situation wesentlich, da sich Objekt und
Raum gegenseitig beeinflussen. Lampugnani: ".....denn es ist nicht
immer so, dass eine bestimmte Umgebung........eine Architektur in irgendeiner
Weise konditioniert. Auch der gegenteilige Fall kann eintreten, dass bestimmte
Bauten ihre Umgebung prägen".
3.3.9/
Die Annäherung an das Heim zeigt den gleichen Spannungszustand wie
die Annäherung an das Ziel, die Freude auf Heimkehr wächst.
Doch der auf den Weg mitgenommene begleitende Raum, die Erinnerung, wird
zum begegnenden Raum, der Widerstand bietet. Das einmal verlassene Heim
hat sich verändert, sowohl im subjektiven Empfinden wie im objektiven
Kontext. Herbert Eichholzer (1) schrieb in einem 1942 im Gefängnis
verfassten Essay: "Kein Atom, kein Baum, kein Berg, kein Stern, kein
Mensch und als letztes & höchstes die Kunst, nichts vom Menschen
Geschaffenes - Familienform, Organisation, Staat, Gesellschaftskonvention
- nichts von all dem ist abends in der gleichen Zusammensetzung, am gleichen
Ort, an dem es morgens war.......Einzig fix über diesem Leben steht
das Natur-Gesetz (...), nach welchem sich das Leben bewegt. Leben als
Gesamtheit, Kreisen der Gestirne und menschliche Gesetze schaffen, künstlerisches
Wollen, Ebbe und Flut. Das Gesetz vom Werden und Vergehen, das Gesetz
des Rhythmus, der vom Beginn zum Ende und aus diesem zu neuem Beginn führt".
In der Annäherung müssen die Hindernisse der Erinnerung, der
Vorstellung und der Verengung im Wiedereintreten in das Heim überwunden
werden.
(1)
"Herbert Eicholzer: Architekt", Dissertation Dietrich Ecker
1984, in 'Wissen aus dem Archiv TU Graz', Band Nr.01, Hrsg. Peter
H. Schurz, HB/TUG 25.000/1.844, nwv Verlag Wien-Graz 2004, www.nwv.at
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/ 3.3.9 / Wegphase 9/ Projekte und Realierungen
/ Koralmhalle Deutschlandsberg (1973-80)/
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Koralmhalle Deutschlandsberg
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Koralmhalle Deutschlandsberg
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/ Koralmhalle Deutschlandsberg
[1973-80]/
Dem Gewinn eines geladenen Wettbewerbes 1972 für die
Errichtung der Koralmhalle Deutschlandsberg, einer Mehrzweckhalle
für die weststeirische Kleinstadt, stellten sich unvermutet
beachtliche Widerstände entgegen: solche der Zeit und
des Ortes. Wir wurden vor der Beauftragung damit konfrontiert,
dass aus finanziellen Gründen eine Realisierung durch
die Stadtgemeinde Deutschlandsberg aufgeschoben werde. Ebenso
wurde eine Verringerung des Bauvolumens erwogen, da Bedenken
hinsichtlich der wirtschaftlichen Führung eines im
Entwurf eingeschlossenen Hallenbades auftauchten. Erst 1979
konnte nach einer verzögerten Planungsphase mit dem
Bau begonnen werden, der schließlich 1981 fertiggestellt
und der Bevölkerung übergeben wurde.
Die Verzögerung der Entwurfsausführung um mehr
als 5 Jahre legt dringende Fragen des Architekten nahe:
.)Sind grundlegende Fragen der Entwurfsrealisierung im Rahmen
eines Wettbewerbes nicht zu klären, bevor ein Wettbewerb
ausgeschrieben wird ? Schließlich begründet die
Teilnahme an einem Wettbewerb, dieses mit großem Aufwand,
ein Vertragsverhältnis zwischen dem Auslober und dem
Teilnehmer und bindet beide. Immer wieder begegnete uns
in unserer Praxis, dass diese selbstverständlich erscheinende
Voraussetzung nicht erfüllt wird.
.)In welchem Masse müssen zeitliche Verschiebungen
und Veränderungen des Raumprogrammes die Konzeption
eines Entwurfes verändern und eine Neubearbeitung erforderlich
machen ? Jeder Entwurf ist ein Zeitschnitt, der Vorausgehendes
verarbeitet und auf Zukommendes gerichtet ist.
Im Falle der Koralmhalle Deutschlandsberg zeichnete den
Entwurf ein Planungsgedanke aus, der auch für eine
spätere Realisierung tragfähig war. Der Umgebungsbereich
einer Flusslandschaft, von einem Park begleitet, stellte
den Hintergrund dar. Das große Hallenbauvolumen ruht
auf einem Sockel von Ergänzungsfunktionen im ersten
Obergeschoß und wird von Nebenraumgruppen umschlossen,
die vierseitig die Halle in 1 - 2 Geschossen umlagern. Dadurch
wurde eine große Kompaktheit erreicht, die von der
umschließenden Parklandschaft möglichst wenig
Fläche beanspruchte. Durch Wegfall des Hallenbades
an der Westseite wurde diese Grundstruktur nicht wesentlich
beeinträchtigt, ein kleines Cafe trat teilweise an
diese Stelle. Die Halle selbst wurde mit Tribünen ausgestattet,
die vom Eingangsfoyer über Treppen erreichbar sind.
Den Großraum überspannt eine Stahlkonstruktion
mit zwei Hauptträgern und Raumfachwerk-Nebenträgern,
die eine vorteilhafte Belichtung über Lichtbänder
am Dach und in der Randzone erlauben. Dadurch vermittelt
das Dach eine betonte Leichtigkeit, die dem Raum eine heitere
Atmosphäre verschafft.
Unabdingbar war es für uns, dem äußeren
Erscheinungsbild der Halle als einem wichtigen gesellschaftlichen
Ort der Gemeinde ein Gesicht zu geben. Sie sammelt die größte
Anzahl von Menschen wie die griechische Agora oder das römische
Forum und prägt durch kulturelle, gesellschaftliche
und sportliche Ereignisse ihre Vorstellungen von kommunaler
Gemeinschaft. In den über 20 Jahren ihres Bestandes
hat sie diese Aufgabe erfolgreich bestanden und ist zu einem
Zentrum des Bezirkes geworden.
Das Eintreten in das Haus gleicht einem Wiedereintreten
in das Heim der umschließenden Gemeinde. Die vorgezogenen
Treppenhäuser lenken den Blick für den Ankommenden,
verstärkt abends bei Beleuchtung aus großflächigen
Fensterelementen, über den vorgelagerten Brunnen auf
das Foyer, von dem aus der Zugang zu allen Ebenen der Raumerschließung
erfolgt. In der gestischen Umarmung beim verengten Eintritt
in das Foyer, einer Penetration vergleichbar, können
Anzeichen androgyner Architekturelemente (37) gesehen werden,
die allerdings einer vordergründigen Symbolik entraten
und der Einheimung nach zurückgelegtem Weg entsprechen.
Das Wasser des Brunnens erzählt den Zyklus des Lebens.
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