WERKGRUPPE
GRAZ
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WEGHAFTES. ARCHITEKTUR UND
LITERATUR
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3.3
Die Wegphasen als Raum- und Grenzerlebnis
/ Wegphase 1 /
/DER AUFBRUCH - Das Bedürfnis zum Ortswechsel - .............
/
Bei allen Lebewesen ist von Anfang
an ein Explorationsbedürfnis am Raum feststellbar, wobei das vegetative
Wachstum - versinnbildlicht an Goethes `Urpflanze`- als die biologische
Quelle sowohl des tierischen wie menschlichen Bedürfnisses der Raumergreifung
angesehen werden kann. Der Bewegungsantrieb kann aus inneren oder äußeren
Gründen hervorgehen, einmal dem organischen Bewegungsbedürfnis
selbst, ein andermal der Bedrohung oder Einschränkung des Lebensraumes.
Kant: "Leben heißt.........sich zur Bewegung oder Ruhe........zu
bestimmen". Dem Aufbruch können Hindernisse im Wege stehen,
die durch einen "Frühstart"
in der Empfindung den Weg verkürzen oder durch einen zu späten
Start verlängern. Im Entwurfsprozess ist der Moment des richtigen
Aufbruchs durch die klare Erfassung der "Zeichen der Zeit" zu
verstehen, die nach einer Deutung verlangen.
Zeitsinn und Raumsinn wirken zusammen, um den richtigen Moment des Aufbruchs
zu erfassen. Er bezeichnet eine wichtige Station des Lebensweges, der für
den Architekten im Erfassen einer drängenden Aufgabe oder der Auseinandersetzung
mit einer sozialen Situation liegt.
Schon in der Studentenzeit mussten wir die Erfahrung machen, dass die Wohn-
und Studiermöglichkeiten in Graz, nicht anders in den späten Fünfzigerjahren
in ganz Österreich, sehr eingeschränkt waren. Vorhandene Heime
hatten einen untergeordneten Standard, private Zimmer waren sehr teuer.
Für Studenten, die darauf angewiesen waren, eine Wohnmöglichkeit
zu suchen, entsprang den schlechten Erfahrungen der Wunsch, dagegen etwas
zu tun. Im Rahmen der sich bildendenden Studentenvertretung wurden erste
Initiativen gesetzt. Auch wir waren daran beteiligt.
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/ 3.3.1 / Wegphase
1/ Projekte und Realierungen
/ Studentenheim am Hafnerriegel, Graz (1961-64)/
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/Biografie/
Mit der Beauftragung zur Planung des Studentenheimes am Hafnerriegel
im Jahre 1960 stellte sich für die zunächst an verschiedenen
Orten, zum Teil im Ausland, arbeitenden Partner die Aufgabe,
den bereits im Laufe des Jahres 1959 gefassten Wunsch einer
Teambildung in die Tat umzusetzen und sich in einem gemeinsamen
Büro zusammenzufinden.
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Hafnerriegel Graz
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Hafnerriegel Graz
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LINK
/ 4.2.3 / Die Grazer Doppelwendeltreppe/
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Hafnerriegel Graz
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Hafnerriegel Graz
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Hafnerriegel Graz
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Hafnerriegel Graz
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alle Fotos:
Eckhart Schuster
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Entwurf von Gerhard Moswitzer 1962 für Wandgestaltung
im Aussenbereich
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/Studentenheim am Hafnerriegel, Graz
[1960]/
Die Beteiligung an einem Wettbewerb für ein Studentenheim
in Wien war erfolgreich, doch ein Auftrag wurde versagt.
Als Gruppe, die sich schon 1959 als Absichtserklärung
einer Zusammenarbeit bildete, bewarben wir uns 1960 um einen
Auftrag für einen Studentenheimbau in Graz und erhielten
aufgrund eines Vorprojekte den Auftrag. Das Studentenheim
am Hafnerriegel, für 360 Studenten in Ein- bzw. Zweibettzimmern
vorgesehen, wurde zum Startprojekt der Planungsgemeinschaft.
Dem Planungsprozess begegnete ein erstes Hindernis, das
den Standort des Hauses betraf. Von der Stadt Graz wurde
ein aus Blockbebauungen aus der 1. Hälfte des 20.Jahrhunderts
ausgespartes Geviert von 1.700,- zur Verfügung gestellt,
das bei einer ermittelten Nutzfläche von 7.000 m2 eine
extrem hohe Dichtezahl von 4,0 ergab. Noch gab es keine
Bebauungspläne für Graz, die einer übergeordneten
Vorstellung städtischer Bauentwicklung entsprachen.
Wir planten, der ungünstigen Situation Rechnung tragend,
über quadratischem Grundriss ein kompaktes Gebäude
von 19 Geschossen, das einer "Stele" gleich aus
der umgebenden 4-5 geschossigen Bebauung hervorragte. Am
Grundstück exzentrisch platziert, sollte es noch einem
erdgeschossigen Gemeinschaftshaus Platz bieten. Allein gegen
Süden weitete sich die Situation, die zum Spielplatz
des Sportklubs "Sturm Graz" freie Sicht bot und
von dieser Seite dem Haus seine beabsichtigte Erscheinung
wiedergab. Unbeabsichtigt führten wir dem traditionsreichen
Fußballklub 350 Fans zu, was er uns mit einer Dauerkarte
dankte.
In der internationalen Diskussion um Studentenhäuser
wurde die Frage aufgeworfen, ob der vorherrschende Hoteltyp
dem Ansprüchen an ein studentisches Heim mit seiner
Verbindung von Wohn- und Arbeitsplatz entspricht. Unseren
Vorstellungen nach konnten eigenständige Wohngruppen
dem studentischen Selbstverständnis besser entsprechen
und zu einer sozialen Integration beitragen. Die Planung
sah je Geschoss 4 Wohneinheiten vor, die aufsteigend um
ein zentrales Treppenhaus mit Liften angeordnet sind. Jeder
Einheit, bestehend aus 5 Einbett- oder 3 Zweibettzimmern,
sind eine Teeküche mit Essplatz sowie Sanitärräume
zugeordnet. In den unteren Geschossen wurden Klub- und Zeichenräume
sowie die technischen Zentralen eingerichtet. Zu unserem
Bedauern kam das Gemeinschaftshaus nicht zur Ausführung,
zu dessen künstlerischer Ausgestaltung bildende Künstler
aus unserem Freundeskreis einbezogen werden sollten.
Die Konstruktion des Hauses mit einer Höhe von nahezu
50,0 M ließ aufgrund genauer Untersuchungen beträchtliche
Dehnungsunterschiede infolge von Sonneneinstrahlung zwischen
dem massiven Innenkern und einer starren Fassade erwarten.
Wir entwickelten daher eine vorgehängte Stein-Plattenverkleidung
aus Elementen, die elastisch gelagert und mit Dehnungsfugen
versehen den Spannungsausgleich herbeiführten und bis
heute schadensfrei bestehen. Für die Montage der Platten
wurde ein Gleitgerüst entwickelt, so dass auf eine
Aussengerüstung des Hauses verzichtet werden konnte.
Die Bemühungen zur konstruktiven Poblembewältigung,
für uns Architekten eine besondere Herausforderung,
wurden mit der Erteilung eines Patentes belohnt.
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Der Nutzung des Hauses liegt eine `Grammatik
des Weges` zugrunde, die bei Annäherung an das
Haus beginnend über die Eingangshalle, das spiralig
aufsteigende Treppenhaus mit den Wohneinheiten bis zu den
vierachsig angeordneten Dachterrassen und schließlich
im Notfall über eine an der Westseite angeordnete Freitreppe
in Sichtbeton bis auf das natürliche Terrain zurückführt.
Die innere Wegführung der viertelgeschossig versetzten
Treppe durchdringt das ganze Haus und tritt in den ebenso
versetzten Einheiten mit der Zeichnung ihrer Fensterbänder
an der Fassade hervor. Die allseitige Orientierung der Studentenzimmer
holt den umherschweifenden Blick auf die Stadt herein.
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Als signifikantes Projekt der ersten
Wegphase, des Aufbruchs, spiegelt es - abgesehen von der
grundlegend angestrebten Wohnfunktion - die Auseinandersetzung
mit der Zeit wider. Das aus der städtebaulichen Situation
erklärbare ungehemmte Aufschießen des "Hafnerriegels"
kommt einem Frühstart
gleich, da die gesellschaftlichen Voraussetzungen für
den Hochhausbau zur Zeit der Errichtung nicht gegeben waren.
Gleichzeitig prägt die plastisch geformte außenliegende
Fluchttreppe entscheidend das Erscheinungsbild, das dem
Spätstart eines Fluchtweges vergleichbar den Brandschutz
der Bewohner in einem formalen Zeichen interpretiert.
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