WEGHAFTES. ARCHITEKTUR UND LITERATUR




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4.1. /
/ Markus Jaroschka: Die Reihe "Werkgruppe Lyrik"
- Zelte der Sprache /

/ Lyrik / Band25 / MOIRA /

Die Werkgruppe Graz hat im klaren Wissen um die 'Weghaftigkeit des Seins' durch 26 Jahre unermüdlich gemeinsam mit den DichterInnen ihre Flaschenpost aufgegeben, im Vertrauen, dass sie Menschen erreichen wird. Jedes Lyrikbändchen hat seinen Ursprung in einer persönlichen Begegnung der Architekten mit den Autorinnen und Autoren. Gemeinsam ist die Idee entstanden, wieder diese Flaschenpost auf den unbekannten Weg zu schicken - fernab von Schulen, vom lauten Literaturbetrieb, von Moden und Trends. Nach 26 Botschaften in 26 Jahren stellen sie sich vielleicht die Frage: Sind diese Botschaften angekommen? Sie wissen es nicht sicher. Aber sie vertrauen darauf.

Im 26. (Nr.25, beginnend mit 0) und letzten Lyrikbändchen von Bettina Galvagni ist mit dem bezeichnenden Titel MOIRA vom den Göttern und Menschen zugeteilten Schicksal die Rede. Im Gedicht AGORA , dem alten Versammlungsplatz der Griechen, sind in dieser 'Erinnerung' an die Wurzeln Europas die alten Metaphern des Unterwegsseins, des Ankommens, des Wartens zu erkennen, eines Wartens, um vielleicht bald wieder Aufzubrechen. Der gewählte 'Ort' - eine für unsere Zeit, geprägt von der Wurzellosigkeit 'virtueller Orte', bedenkenswerte Rückwendung...

/ Bettina Galvagni: "AGORA"/

AGORA

Unsere Kindheit wird wieder das Mittelalter sein.
Ich werde blaß sein, ich werde die
Kopfschmerzen ableugnen.
Ich werde auf der Agora stehen.
Ich werde nur Melitta sein.
Me - lit - ta.

Sagt schnell die Verben,
laßt das Hügelland klingen.
Sie geht zurück auf die Agora, die zerknitterte,
sie schmückt den Meerbusen mit Korallen,
sie trinkt das Gymnasium wie Milch,
sagt schnell die Verben,
damit kein Schwefelregen sie auswäscht,
sagt schnell.

Habt ihr noch Geschichten, die nicht
Gesichte sind möglicher Geschichten?
Ihr seid noch nicht Moos, im Meer, Meermoos,
ihr seid noch Geschichte, ihr trinkt Wasser
und lebt in Geschichten.

Die Agora wird ein Leuchtturm sein in
stürmischer Nacht.
Vielleicht müsste ich Licht übers Hügelland schütten.
Licht ins Jodgelb schütten.

Wir warten wie Tauben auf Futter.
Theatermacherbücher werden Tag für Tag gelesen.
Manch schauriges Benngedicht
und manch Schönes leidet.
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1.0 / Markus Jaroschka: "Über Wörter und Worte" /
1.1 / EINFÜHRUNG / Vorwort des Herausgebers /
4.0 / ARCHITEKTUR UND LITERATUR - eine morphologische Annäherung /
4.1 / Markus Jaroschka: Die Reihe "Werkgruppe Lyrik" - Zelte der Sprache /
4.2 / Die Reihe "WERKGRUPPE LYRIK" /
Die Werkgruppe Graz hat über einen Zeitraum von 30 Jahren, von 1966 - 1996, Lyrik neben der architektonischen Tätigkeit herausgegeben. Die Reihe der "braunen Büchl" aus dem gängigen braunen Packpapier mit einfachem Kartondeckel gestaltet, war als Gruß an Freunde gedacht, einmal im Jahr erschienen. Das Besondere war die persönliche Signatur des Autors, die diese Bücher zu dokumentarischen Unikaten machte. Doch auch der Umstand, dass es Erstveröffentlichungen waren, gab ihnen ihren Wert Die Autoren waren anfangs aus dem Freundeskreis der Literaten des Forum Stadtpark, später griff der Kreis weit aus. Mit der Architektur hatten die Gedichte eines gemeinsam: dass immer Orte im Mittelpunkt standen, seien es reale oder imaginäre. Dieser kontextuelle Aspekt war uns ein Anliegen, ist er doch unserer Arbeit verwandt.