WERKGRUPPE
GRAZ
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WEGHAFTES. ARCHITEKTUR UND
LITERATUR
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4.1. /
/ Markus Jaroschka: Die Reihe "Werkgruppe Lyrik"
- Zelte der Sprache /
/ Lesefähigkeit /
Verstärkend, mit einem neuen Gedanken von der
'Lesefähigkeit', verweist Michael Hamburger in einem Essay mit dem
bezeichnenden Titel "Das Überleben der Lyrik", im Hinblick
auf die moderne Kommunikationsgesellschaft, auf die durch sie erfolgende
Bedrohung und damit auf eine völlig andere Dimension der Poesie hin:
"Jetzt aber, während der Zweiten, der elektronischen Industrierevolution,
bedroht die Lesefähigkeit - nicht das Analphabetentum - das Überleben
der Lyrik, wenn auch nicht die Literatur als ein Medium der Kommunikation,
wie reduziert sich auch diese Funktion in Relation zu den anderen, den
elektronischen Medien erweisen sollte. Der Grund ist, daß Literatur
immer noch dazu dient, vielerlei Informationen, die man für nützlich
hält, zu vermitteln - darunter sogar Informationen über Lyriker
und das, was sie tun! Literatur ist Teil der Informationsindustrie, was
Lyrik ihrer Natur nach nie war und nie sein kann." [kursive Hervorhebung
vom Verfasser]
Das Problem der 'Lesefähigkeit', als Bedrohung der Poesie, ist hier
wichtig gestellt. Ist es auch die Frage über die Zukunft der Poesie?
Oder bald die endgültig ökonomische Frage: Wozu überhaupt
noch Lyrik? Tatsächlich wird Herausgebern von Literaturzeitschriften
immer wieder die Frage gestellt, ob solch ein 'Printmedium' noch zeitgemäß
sei. Und damit ist gleich erneut die Frage mitgemeint: Wozu noch Literatur?
Ist diese Frage, meist im Wissen vom Gewichtsverlust der Literatur, vielleicht
auch gestellt mit dem oft unbewussten Gedanken, ob sich solch ein 'Kulturunternehmen'
überhaupt rechnet? In der Vorrede zu seinem Roman Das Bildnis des
Dorian Gray hält Oscar Wilde den so umstrittenen Satz fest "...
alle Kunst ist ganz und gar nutzlos" und Robert Musil schrieb 1930
noch: "... ich halte es für wünschenswert, dass die geistige,
schöpferische Tätigkeit von jeglicher Bewertung auf dem wirtschaftlichen
Markt befreit werden soll". Solche Sätze aus der 'guten alten
Zeit', mit einer anderen Idee von Ästhetik, lösen heute nur
noch ein Schmunzeln aus. Doch selbst schon die Intellektuellen nach dem
Zweiten Weltkrieg haben von der Literatur die sogenannte 'gesellschaftliche
Relevanz' gefordert und dabei nicht bemerkt, dass sie damit den ökonomischen
Begriff des Nutzwertes für die Literatur fordern.
Selbst Autoren setzen sich dieser Atemlosigkeit eines kommerziellen Unterhaltungs-Kulturbetriebes
aus, um im so literaturfeindlichen Klima überhaupt zu überleben.
Zu diesem neuen Phänomen im Literaturbetrieb bemerkt Sten Nadolny:
"Es wird dem Zuhörer, dem Leser, dem Zuschauer unentwegt erzählt,
er wolle vor allem unterhalten und entspannt werden - und er glaubt es!
Die Werbung und jener Teil der Kritik, der diesen Namen nicht verdient,
haben ihm alle möglichen Seichtigkeiten so lange als 'köstlichen
Lebensgenuß' verkauft, dass er jetzt selbst glaubt, was ihm nicht
auf der Zunge zergehe, sei schlecht und überflüssig." Die
Folge davon ist, daß Autoren in einer neuen Art von Veranstaltungen
auftreten, um dort einfach den Inhalt ihres neuen Buches zu erzählen,
damit sich der Zuhörer, vielleicht ehemalige Leser, die Lektüre
des Buches gleich erspart... Hier trifft das von Michael Hamburger angesprochene
Problem 'der neuen Lesefähigkeit' mit den Auswirkungen für die
Lyrik vollends zu.
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Die Werkgruppe Graz hat über einen Zeitraum
von 30 Jahren, von 1966 - 1996, Lyrik neben der architektonischen Tätigkeit
herausgegeben. Die Reihe der "braunen Büchl" aus dem gängigen
braunen Packpapier mit einfachem Kartondeckel gestaltet, war als Gruß
an Freunde gedacht, einmal im Jahr erschienen. Das Besondere war die persönliche
Signatur des Autors, die diese Bücher zu dokumentarischen Unikaten
machte. Doch auch der Umstand, dass es Erstveröffentlichungen waren,
gab ihnen ihren Wert Die Autoren waren anfangs aus dem Freundeskreis der
Literaten des Forum Stadtpark, später griff der Kreis weit aus. Mit
der Architektur hatten die Gedichte eines gemeinsam: dass immer Orte im
Mittelpunkt standen, seien es reale oder imaginäre. Dieser kontextuelle
Aspekt war uns ein Anliegen, ist er doch unserer Arbeit verwandt.
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